Die Lebenssituation der Care Leaver*innen wurde zuletzt in zahlreichen Fachveranstaltungen und Fachartikeln diskutiert. Ein Überblick findet sich auf der neuen Sonderseite "Leaving Care" des Fachkräfteportals der Kinder- und Jugendhilfe. So tauschten sich beim 6. Fachtag des Praxis-Forschungsprojekts "Care Leaver" Vertreter*innen aus Wissenschaft, Praxis sowie Jugendliche aus den Einrichtungen darüber aus, welche Änderungen das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz für das Leben in den stationären Einrichtungen brachte. Der Fachtag der Fachstelle Leaving Care (Universität Hildesheim) und der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen stellte wiederum die Erfahrungen aus Modellkommunen vor, welche die Neuerungen im KJSG in kommunalen Verantwortungsgemeinschaften aus freien und öffentlichen Trägern nachhaltig umgesetzt haben.
Auch die AGJ befasst sich intensiv mit dem Thema, zuletzt bei der Transferkonferenz im Mai 2022. Dabei kamen ausführlich auch Care Leaver*innen selbst zu Wort mit ihren Perspektiven und Anliegen. Auch hier wurde über die Herausforderungen bei der kommunalen Umsetzung diskutiert. Zudem hat die AGJ im Nachgang der Transferkonferenz im Juli 2022 das Positionspapier "Rechtsanspruch Leaving Care vor Ort verbindlich inklusiv gestalten" beschlossen, welches zahlreiche Gesprächsfäden der Transferkonferenz aufgreift. Auch die kommende Ausgabe der AGJ-Zeitschrift FORUM Jugendhilfe wird den Schwerpunkt Leaving Care haben.
Eine Bereicherung für die Fachdiskussionen rund um Leaving Care ist der Zusammenschluss von jungen Menschen, die in stationären Jugendhilfeeinrichtungen aufgewachsen sind, der Careleaver e.V. . Dieser bietet sowohl jungen Menschen aus den Einrichtungen Unterstützung und ist zudem auch politisches Sprachrohr für die Anliegen junger Menschen in den Einrichtungen und Pflegefamilien. Zudem vertritt der Verein auch die Anliegen junger Menschen in Politik und Gesellschaft.
Zuletzt konnte das beispielsweise bei der Anhörung zur geplanten Abschaffung der Kostenheranziehung für junge Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe im Deutschen Bundestag gezeigt werden. Hier merkte der Careleaver e.V. an, dass die Kostenheranziehung eine weitere Hürde auf dem Weg zu Selbstständigkeit und eigenverantwortlicher Lebensführung darstelle und keine Unterstützung sei. Zudem kritisierte die Vertreterin des Vereins, dass junge Menschen, die in einer Ausbildung für junge Menschen mit Behinderung, in einer über Arbeitsamt oder Jobcenter unterstützten Ausbildung oder in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme seien, weiterhin von der Kostenheranziehung betroffen wären.
Dieser Kritik schlossen sich zahlreiche weitere Fachverbände an. Wenige Gegenstimmen merkten an, dass die 2021 gefundene Kompromisslösung (Absenkung der Kostenheranziehung von 75% auf 25%) ausreichend sei und der Anreiz zum Schritt in ein selbstständiges Leben reduziert werden könne.
Die Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik beobachtet die Entwicklungen im Bereich der stationären Jugendhilfe seit Jahren. Im Sinne der verbesserten Teilhabe junger Menschen ist es zu begrüßen, dass in den letzten Jahren in zahlreichen Bundesländern sowie bundesweit einrichtungsübergreifende Beteiligungsformate geschaffen wurden, in denen sich junge Menschen aus den Einrichtungen über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Lebenswirklichkeiten austauschen können und gemeinsam ihre Interessen gegenüber freien und öffentlichen Trägern der Jugendhilfe formulieren können. Zuletzt war dies beim Fachtag "Jugendpolitik im Dialog" am 27. September 2022 in Hamburg im Rahmen einer Dialogrunde Thema, bei der sowohl Vertreterinnen des freien Trägers Jugendhilfenetzwerk Nord-Ost (als Veranstalter des Landesjugendkongress Schleswig-Holstein) als auch eine Vertreterin des CareLeaver e.V. ihre Perspektiven ins Gespräch einbrachten. Die Dokumentation des Fachtags erscheint im Laufe des Jahres 2022.