Auszug aus einem Beitrag von Nikolai Okunew und Nils Theinert auf zeitgeschichte online
Abgesehen von Streamingserviceprovidern, Online-Versandhäusern und Toilettenpapierherstellern gibt es in Zeiten einer globalen Pandemie nur für wenige Menschen Gründe, irgendetwas zu feiern. Dennoch wabert ein besorgniserregendes Phänomen durch die deutsche Medienlandschaft. Ein Phänomen, das suggeriert, dass einige unserer Mitbürger*innen die massiven Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung von Sars-Cov-2 in den Wind schlagen und feiern. In den Medien hat sich dieses Phänomen mit dem Begriff der „Corona-Party“ verbreitet.
Besonders in und vor der ersten Woche der Ausgangsbeschränkungen fanden sich aufgeregte Warnungen vor jenen Jugendlichen, die an der vernünftigen Entsagung des Zwischenmenschlichen nicht teilnähmen und so in unvernünftiger Weise zur Verbreitung des Virus beitrügen. Der Journalist Peter Pauls, ehemaliger Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers, unterstellte in seinem Kommentar im Deutschlandfunk manchen „gar unbarmherziges Kalkül: ‚Wir lassen uns doch nicht von denen, [...] der Risikogruppe, den Alten, den Spaß verderben. Weniger Alte, bedeutet das nicht auch mehr Rente für mich?‘ [...] Auch der Generationenkonflikt köchelt also im Hintergrund des Virusgeschehens.“[Zitat im Original] Allerdings sind die sogenannten „Corona-Partys“ schwerer nachzuweisen als die historische Tiefe der Empörungsstruktur.
Den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung jugendlicher Normabweichung, der Angst vor ihr und der disproportionalen Berichterstattung über sie ist in der Soziologie als „Moral Panic“ bekannt.[2] Die Anzahl der Panik auslösenden Fälle ist meist gering, ihre Wirkung in der Berichterstattung hingegen ungleich groß, wie ein kurzer Blick auf die Popgeschichte zeigt. Mehr lesen auf zeitgeschichte online
Textauszug veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von zeitgeschichte online (Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam) - April 2020