Kinder und Jugendliche, die in Armut aufwachsen, sind mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Sie haben oft eingeschränkten Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und angemessener Ernährung. Dies kann langfristige Auswirkungen auf ihre körperliche, emotionale und kognitive Entwicklung haben.
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
Im Zuge der Erarbeitung der Kindergrundsicherung wurde im Frühjahr und Sommer 2023 am Deutschen Jugendinstitut (DJI) eine qualitative Studie mit 54 von Armut betroffenen und bedrohten Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Die Wissenschaftlerinnen untersuchten Armuts-, Ausgrenzungs- und Teilhabeerfahrungen im Kontext der individuellen Lebenswelten der jungen Menschen. Ein wesentlicher Fokus lag dabei auch auf den Erfahrungen mit staatlichen Unterstützungsleistungen und Erwartungen an Hilfe. Gleichzeitig wurden die von den Kindern und Jugendlichen selbst eingebrachten Themen berücksichtigt.
Zentrale Befunde der Studie
Die Studie zeige, dass Kinder und Jugendliche sehr differenziert und reflektiert über ihre Lage und Bedürfnisse Auskunft geben können. Dadurch habe sich die qualitative Befragung angesichts des sensiblen Themas als sehr ertragreich erwiesen. Für viele sei Armut normal, weshalb sich die befragten Kinder und Jugendlichen oft nicht als arm wahrnähmen. Oder sie würden die eigene Armut relativieren, zum Beispiel durch den Vergleich mit anderen, die weniger Ressourcen haben. Die Autorinnen interpretieren diesen sozialen Abwärtsvergleich als möglichen Schutzmechanismus, der dazu diene, eine optimistische Perspektive und einen positiven Selbstwert aufrechtzuerhalten. Aus den Erzählungen der Befragten gehe jedoch hervor, dass die Armutsfolgen teilweise gravierend seien. Finanzielle Problemlagen würden nicht nur als Dauerbelastung erscheinen, sondern unter anderem auch soziale Teilhabe verhindern. Die Autorinnen sähen hier die Gefahr sozialer Exklusion.
Für die Befragten jungen Menschen seien ihre Familien der zentrale Lebensraum und großteils wichtigster Rückzugsort. Familiäre Notlagen bekämen sie unmittelbar mit. Dass sie deshalb selbst auf Dinge und Aktivitäten verzichten, sei für sie selbstverständlich. Die Kinder und Jugendlichen hätten nicht nur ihre Ansprüche und Wünsche im Blick, sondern nähmen auch auf andere Familienmitglieder Rücksicht. Einige der Befragten berichteten von einer beträchtlichen Mitverantwortlichkeit für das familiale Wohlergehen. Finanzielle Unterstützungssysteme und Maßnahmen seien ihnen wenig bekannt und würden vor allem von den jüngeren Kindern in elterlicher Verantwortung gesehen. Daneben würden die Familien versuchen sich die Handlungsfähigkeit zu bewahren: Angesichts teilweise stark beschränkter Ressourcen und Möglichkeiten werde auf vielfältige kreative Notlösungen zurückgegriffen.
Niedrigschwellige Angebote für betroffene Eltern und Kinder
Da die Problemkonstellationen sehr komplex seien, empfehlen die Autorinnen, dass finanzielle Unterstützungssysteme mit anderen Angeboten und Leistungen, die weitere Lebensbereiche der Kinder und Jugendlichen betreffen, verlinkt werden. Familien und ihre Kinder bräuchten sowohl persönlich als auch räumlich eine Anlaufstelle jenseits verschiedener Zuständigkeiten. Sie würden eine niedrigschwellige Erreichbarkeit, eine vertrauensvolle Kommunikation und nichtdiskriminierende Beratung benötigen. Lebensweltnahe Institutionen wie beispielsweise inklusive Jugendarbeit oder Schulen könnten als erste Anlaufstellen dienen und Informationen vermitteln. Diese Strukturen müssten vor allem in Krisenphasen finanziell abgesichert sein und idealerweise ausgebaut werden, damit sie möglichst vielen von Armut betroffenen Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stehen.
Die Studienergebnisse stehen hier zur Verfügung.
Quelle: Deutsches Jugendinstitut vom 27.03.2024